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Nudging Definition: Was ist Nudging?

Nudging ist eine Methode, die Menschen nachweislich dabei hilft, ihre eigenen und die Verhaltensweisen anderer zu verändern.

Nudging Auge Regenbogen

Fällt es dir schwer, deine eigenen Gewohnheiten, das Verhalten deiner Arbeitskolleg:innen oder das deiner Kund:innen zu verändern? Keine Angst, da bist du nicht allein. Veränderungen sind schwer. Aber es gibt eine Methode, die dabei helfen kann, diese Herausforderung zu meistern: Nudging

Nudging ist eine Methode, die Menschen nachweislich dabei hilft, ihre Verhaltensweisen zu verändern, sei es, mit dem Rauchen aufzuhören, sich gesünder zu ernähren oder aktiver zu werden.

In diesem Artikel erfährst du:

  • Nudging Definition
  • Wie funktioniert Nudging
  • Wissenschaftlicher Hintergrund
  • Heuristiken und Biases
  • Nudging Beispiele

Nudging Definition:

Nudging bedeutet übersetzt so viel wie „Anstoßen” oder „Anstupsen”. Seinen Ursprung hat der Begriff aus dem Bereich der Verhaltensökonomie. Er beschreibt die subtile Beeinflussung von Menschen, um diese dazu zu bewegen, bestimmte Handlungen zu vollziehen oder bestimmte Entscheidungen zu treffen. Der Begriff Nudge oder Nudging fasst somit alle Strategien und Maßnahmen zusammen, die Menschen dazu bringen sollen, bestimmte Verhaltensweisen anzunehmen oder aufzugeben. Wichtig dabei ist, dass im Rahmen dieser Strategien kein Zwang oder Verbote ausgeübt werden. Diese Strategien basieren oftmals auf den Erkenntnissen der Psychologie, Verhaltensökonomie, Wirtschaftswissenschaften, Soziologie, Anthropologie und weiteren Humanwissenschaften.

Ein bekanntes Beispiel für einen Nudge ist die sogenannte "Opt-out"-Regelung bei der Organspende: In Ländern, in denen diese Regelung gilt, müssen Bürger explizit ablehnen, wenn sie nicht bereit sind, ihre Organe nach dem Tod zu spenden. In Ländern mit einer "Opt-in"-Regelung hingegen müssen Bürger explizit zustimmen, wenn sie ihre Organe nach dem Tod spenden möchten. Studien haben gezeigt, dass die Zahl der Organspender in Ländern mit einer "Opt-out"-Regelung deutlich höher ist als in Ländern mit einer "Opt-in"-Regelung. Dieser Effekt wird in der Verhaltensökonomie als Default Option bezeichnet.

Das Bild zeigt ein Balkendiagramm, das die "Effektiven Zustimmungsraten nach Ländern" vergleicht. Auf der linken Seite der Grafik sind die Länder Dänemark, Niederlande, Vereinigtes Königreich und Deutschland in Gold dargestellt, was für explizite Zustimmung (Opt-in) steht. Dänemark hat den niedrigsten Wert mit 4,25%, während Deutschland bei 12% liegt. Auf der rechten Seite sind die Länder Österreich, Belgien, Frankreich, Ungarn, Polen, Portugal und Schweden in Blau dargestellt, was für angenommene Zustimmung (Opt-out) steht. Österreich führt mit 99,98%, während Schweden mit 85,9% das niedrigste Ergebnis unter den blau markierten Ländern hat.
Source: https://i.imgur.com/vDetThY.png

Nudging kann also eine sehr effektive Methode sein, um gewünschte Verhaltensweisen zu fördern oder bestimmte Entscheidungen herbeizuführen. Allerdings ist es wichtig zu beachten, dass Nudging keine Magie ist und auch keine Wunder bewirken kann. Es ist lediglich ein Instrument zur Konzeption von kreativen Ideen zur Verhaltensänderung. Wie genau du es einsetzen kannst, erfährst du im weiteren Verlauf anhand von Beispielen in diesem Artikel.

Bei HelloDesign nutzten wir Nudging vornehmlich in Workshops. Wenn du Interesse an einem Nudging Workshop hast, kontaktiere uns gerne.

Wie funktioniert Nudging?

Nudging basiert auf Erkenntnissen der Verhaltensökonomie und der Psychologie. Die Verhaltensökonomie beschäftigt sich mit der Analyse und Erklärung von Entscheidungen und Verhaltensweisen von Individuen und Gruppen in wirtschaftlichen Kontexten. Die Psychologie untersucht die menschliche Wahrnehmung, Motivation und Emotionen und wie sie unser Verhalten beeinflussen. Nudging setzt gezielt an den Erkenntnissen dieser beiden Wissenschaften an und nutzt sie, um das Verhalten von Menschen sanft und ohne Zwang zu beeinflussen. Die Methode setzt darauf, dass Menschen nicht immer rational entscheiden und oft von Emotionen und Gewohnheiten beeinflusst werden. Nudges sind dabei kleine Anstupser, die das gewünschte Verhalten fördern sollen, indem sie beispielsweise Anreize schaffen oder Entscheidungen erleichtern. Die Wirksamkeit von Nudges wurde in zahlreichen wissenschaftlichen Studien belegt und ist Gegenstand weiterer Forschung.

Die Erfinder des Nudging: Richard Thaler und Cass R. Sunstein

Der Ursprung des Konzepts geht auf den US-amerikanischen Wirtschaftswissenschaftler Richard Thaler und den britischen Juristen Cass Sunstein zurück, die das Konzept in ihrem Buch "Nudge – Wie man kluge Entscheidungen anstößt" (2008) erstmals präsentiert haben. Richard Thaler und Cass Sunstein definieren Nudging folgendermaßen:

“Unter Nudge'' verstehen wir also alle Maßnahmen, mit denen Entscheidungsarchitekten das Verhalten von Menschen in vorhersagbarer Weise verändern können, ohne irgendwelche Optionen auszuschließen oder wirtschaftliche Anreize stark zu verändern. Ein Nudge muss zugleich leicht und ohne großen Aufwand zu umgehen sein. Er ist nur ein Anstoß, keine Anordnung.”

Seitdem hat sich Nudging zu einem weit verbreiteten Instrument in unterschiedlichen Branchen und Bereichen weiterentwickelt. So versuchen Regierungen ihre Bevölkerung in eine gewünschte Richtung zu stupsen, Krankenkassen ihre Mitglieder:innen zu einem gesünderen Leben zu motivieren und Softwareunternehmen ihre Nutzer:innen davon zu überzeugen, ihre Lösungen öfter als andere zu nutzen. Ethisch korrekt eingesetzt, kann Nudging also in diversen Bereichen den Alltag von Menschen positiv beeinflussen.

Wissenschaftlicher Hintergrund

Die Theorie hinter Nudging basiert auf der Annahme, dass Menschen selten rational handeln und Entscheidungen treffen, die in ihrem eigenen besten Interesse liegen. Stattdessen zeigt die Wissenschaft, dass entgegen vieler Annahmen Menschen von ihren Emotionen und Impulsen geleitet werden und somit oft auch vermeintlich unkluge Entscheidungen treffen. Um dies zu verhindern, können Organisationen Maßnahmen ergreifen, um die Umwelt so zu gestalten, dass sie die Wahrscheinlichkeit für bestimmte Verhaltensweisen erhöhen oder verringern. Dies kann beispielsweise durch die Gestaltung der physischen Umgebung, die Bereitstellung von Informationen oder durch direkte Kommunikation mit den Betroffenen erreicht werden. So lässt sich mit dem korrekten Einsatz von Nudges, bei der innenarchitektonischen Gestaltung einer Kantine der Griff zum Softdrink oder zum Wasser gestalten.

Eindrucksvoll hat Google dies unter Beweis gestellt.

Heuristiken und Biases

Heuristiken und Biases sind zwei Begriffe, die oft in der Forschung über das menschliche Denken und im Kontext von Nudging verwendet werden. Heuristiken beziehen sich auf die subjektiven Regeln, die wir bei der Bewertung von Informationen oder der Suche nach Lösungen anwenden. Da diese mentale Tätigkeit unglaublich viel kognitive Energie kostet, haben Menschen mit der Zeit Strategien entwickelt, um schnellstmöglich zu einem Entschluss zu kommen. Aus diesem Grund könnte man Heuristiken auch als "Kognitive Abkürzungen” bezeichnen. Biases sind mentale Regeln, die Menschen in ihrer Wahrnehmung oder Urteilsbildung beeinflussen. Ausgelöst durch Heuristiken führen Biases dazu, dass das Urteilsvermögen von Gruppen und Individuen verzerrt oder beeinflusst wird. So lässt uns der sogenannte Biase “Social Proof” dazu tendieren, uns in Situation hoher Unsicherheit den Entscheidungsmustern anderer Gruppen anzupassen. Aus diesem Grund werden Biases auch als “Kognitive Verzerrungen” beschrieben. Die Heuristiken- und Biases-Forschung untersucht, wie Menschen diese Regeln anwenden und wie sie durch soziale, kulturelle und historische Faktoren beeinflusst werden.

Nudging in der Praxis

In welchen Bereichen wird Nudging angewandt?

Nudging kann in vielen verschiedenen Bereichen angewandt werden. In den Bereichen Politik und Behörden kann Nudging eingesetzt werden, um Bürger zu ermutigen pünktlich ihre Steuern zu zahlen oder sich an gesetzliche Vorgaben zu halten. Ziel von Nudging im Marketing hingegen ist es, Kund:innen zum Kauf bestimmter Produkte zu bewegen oder Marketing-Kennzahlen wie Conversion Rates zu optimieren. Dies kann zum Beispiel das Anklicken eines Links oder das Ausfüllen eines Formulars sein. Inzwischen gibt es verschiedene Studien und Untersuchungen, die zeigen, wie Nudging im Marketing funktioniert und welche Erfolge damit erzielt werden können. Eine Studie hat untersucht, ob es einen Unterschied macht, ob in einer Anzeige „Klicken Sie hier“ oder „Klicken Sie jetzt“ steht. Ergebnis war, dass deutlich mehr Nutzer:innen auf die Anzeige mit dem Wort „jetzt“ klickten als auf die andere Anzeige. Dies zeigt also, wie geringfügige Änderungen schon große Auswirkungen haben können.

Welche Form haben Nudges?

Ein Nudge hat per Definition keine feste Form. Auch wenn Nudges oft als kleine Stupser bezeichnet werden, können sie in Wirklichkeit ganz unterschiedlich aussehen. Manchmal sind sie so offensichtlich, dass man sie gar nicht übersehen kann. Andere Nudges hingegen sind deutlich subtiler und erfordern einige Aufmerksamkeit, um sie zu bemerken. Beispiele für simple Nudges sind:

  • Ein Pop-up-Fenster, das erscheint, wenn du versuchst, eine Website zu verlassen
  • Ein Preisvergleichs-Tool, das automatisch die besten Preise für dich findet
  • Die kleine Eins an unserem E-Mail Postfach

Beispiele für Nudging

Nudging ist ein Instrument, welches uns hilft, unser eigenes oder das Verhalten anderer zu beeinflussen. Damit du dir besser vorstellen kannst, wie das ganze in der Praxis aussieht, stellen wir dir zwei Beispiele vor.

Nudging Beispiel 01: Kleine Teller große Wirkung

In seiner Forschungsarbeit zeigt Steffen Kallbekken (Research Director for Climate Economics at CICERO), dass zwei einfache Maßnahmen - die Verkleinerung der Tellergröße und die Bereitstellung sozialer Hinweise - die Menge an Lebensmittelabfälle in Hotelrestaurants um etwa 20 % verringern. Das Austauschen der Teller und das Aufstellen kleiner Schilder sind in diesem Fall die Nudges.

Zur wissenschaftlichen Arbeit

Das Bild zeigt zwei weiße Teller auf einer hellen, fast weißen Oberfläche. Der linke Teller ist kleiner als der rechte, beide sind schlicht und ohne Muster. Die Anordnung könnte möglicherweise auf eine Gegenüberstellung von Portionsgrößen oder eine „Nudging“-Strategie hinweisen.

Nudging Beispiel 02: Die Fliege im Pissoir

Anfang der 1990er Jahre versuchte der Reinigungsleiter des Amsterdamer Flughafens Schiphol, die Verschmutzung der Pissoirs zu verringern. Um das Problem in den Griff zu bekommen, klebte der Manager kleine Bilder von Fliegen in einige der Urinale. Was zuerst nach einem schlechten Witz klingt, ist nach Richard Thaler “Die beste Illustration” eines Nudges, denn in allen Pissoirs mit Fliegen wurde die Verschmutzung erheblich eingedämmt. Die Männer wurden “genudged”, richtig zu zielen und keine Sauerei zu machen.

Du willst einen Nudge entwickeln? Dann melde dich bei uns!

Das Bild zeigt ein Urinal mit einem aufgemalten Fliegenmotiv im Inneren, das von einem blauen Kreis umrahmt ist. Diese Art von "Nudging" wird oft verwendet, um das Verhalten der Benutzer zu beeinflussen, indem die Aufmerksamkeit auf einen bestimmten Punkt gelenkt wird.

Nudging Beispiel 03: Digitales Nudging, Nachhaltige Navigation

Google Maps ist eine der meistgenutzten Karten-Apps auf dem Smartphone (600.112 Downloads, 10.11.2022). Viele Nutzer:innen bedienen die App täglich, um von A nach B zu kommen. Hierbei legen die Nutzer:innen meist den Wert darauf, möglichst schnell am Ziel zu sein. Mit einer kleinen Änderung im User Interface hat Google jedoch den Fokus verändert. Nun liegt die “Default Option” auf der nachhaltigsten oder spritsparendsten Route. Gemäß den Regeln des Nudgings wurde nur der Entscheidungsrahmen minimal manipuliert und die ungeliebte Variante - in diesem Fall die schnellere - zurückgestellt.

Das Bild zeigt einen Ausschnitt von Google Maps auf einem Smartphone, der eine Route anzeigt. Die Fahrzeit beträgt 1 Stunde und 23 Minuten für eine Strecke von 95 Kilometern. Darunter steht der Hinweis, dass bis zu 16 % Benzin gespart werden können. Es gibt auch Schaltflächen für "Schritte", "Starten" und "Entfernen". Dies könnte als Beispiel für digitales Nudging dienen, indem Nutzern eine umweltfreundliche Routenoption empfohlen wird.

Nudging Zusammenfassung

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Nudging eine wertvolle Methode ist, um Menschen dazu zu bewegen, bestimmte Handlungen auszuführen. Durch die Verwendung von kleinen Stupsern können wir große Verhaltensänderungen bewirken. Allerdings sollten wir diese Methode immer mit Bedacht und vor allem im Interesse unserer Zielgruppe einsetzen. In den falschen Händen entwickeln sich sonst zu Beginn gut gemeinte Stupser in unethischen Dark Patterns. Hierzu aber in einem zukünftigen Artikel mehr.

Wenn du selbst Nudges entwickeln möchtest, melde dich bei uns.

Nudging Definition: Was ist Nudging?
Fabrice Pöhlmann
November 11, 2022
UX Experte, Behavioural Designer, CEO HelloDesign